“Lex Altes Land”

Warum brauchte es diesen Erlass?

Im Jahr 2005 wurden die Lühe- und Estedeiche erstmals zu Schutzdeichen hinter den Sperrwerken umgewidmet, für die seitdem das Niedersächsische Deichgesetz gilt. Dieses untersagt in § 14 jegliche Nutzung des Deiches sowie in § 16 jegliche wesentliche Änderung in einer Schutzone von 50 Metern hinter den Deichen.

Das widerspricht jedoch der lange gewachsenen Bebauung im Alten Land mit Häusern auf und direkt hinter den Deichen dieser beiden Elbnebenflüsse, die einen wesentlichen Bestandteil unserer einmaligen historischen Kulturlandschaft ausmacht. In unserem Verbandsgebiet sind davon Anlieger in Horneburg sowie wesentliche Teile der Gemeinden Guderhandviertel, Steinkirchen und Grünendeich betroffen.

Um diese Kulturlandschaft wieder zu schützen und den betroffenen Eigentümern von Häusern, Kirchen, Höfen und Gewerbebetrieben wieder Rechtssicherheit zu geben, brachte die CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag einen entsprechenden Antrag für einen Erlass ein, der den besonderen Umständen im Alten Land Rechnung trägt. Dieser Erlass zum “Vollzug des Niedersächsischen Deichgesetztes (NDG); Erteilung von Ausnahmegenehmigungen…” wurde vom Landtag im September 2017 einstimmig verabschiedet und im Januar 2018 dem Landkreis Stade sowie den betroffenen Gemeinden zugestellt.

 


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Vollzug des Niedersächsischen Deichgesetzes (NDG);
Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach den §§ 14 Abs. 2 Satz 2 und 16 Abs. 2 Satz 1 NDG für Bauvorhaben auf bzw. hinter Schutzdeichen

Im Alten Land an Este und Lühe stellen die Häuser auf, unmittelbar an oder hinter den Deichen vielfach ein prägendes Element der Kulturlandschaft dar. Es ergibt sich hier in besonderer Weise die Notwendigkeit, die Interessen der Deichsicherheit auf der einen und die Interessen am Erhalt der gewachsenen Siedlungsstrukturen, des Denkmalschutzes und der jeweiligen Grundstückseigentümer auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet das Niedersächsische Deichgesetz (NDG).

Der Landkreis Stade als zuständige untere Deichbehörde hat dazu Kriterien zur Prüfung der Zulässigkeit von Bauvorhaben nach den §§ 14 Abs. 2 Satz 2 und § 16 Abs. 2 Satz 1 NDG erarbeitet, die dort bereits heute als verwaltungsinterne Handlungsanleitungen Anwendung finden. Aus Sicht der obersten Deichbehörde bilden diese Kriterien die bei der Anwendung der genannten Vorschriften maßgeblichen Gesichtspunkte unter besonderer Berücksichtigung der im Alten Land gegebenen Besonderheiten zutreffend ab.Ich bitte daher, bei der Entscheidung über die Erteilung entsprechender Ausnahmegenehmigungen für Bauvorhaben auf bzw. landseitig von Schutzdeichen i. S. v. § 2 Abs. 4 NDG auch künftig entsprechend der Prüfschemata und Prüfkriterien (siehe Anlagen 1 und 2 dieses Erlasses) zu verfahren. Fürentsprechende Bauvorhaben an den Hauptdeichen des Alten Landes können diese Kriterien hingegen keine Anwendung finden, da diese Deiche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgrund ansteigender Sturmflutwasserstände nacherhöht werden können müssen.

Ergänzend weise ich zu einem möglichen Widerruf von Ausnahmegenehmigungen nach § 14 Abs. 3 bzw. § 16 Abs. 2 Satz 3 NDG noch auf Folgendes hin:

Die Ausnahmegenehmigungen sind nach § 14 Abs. 3 bzw. § 16 Abs. 2 Satz 3 NDG widerruflich, um eine jederzeit unbeeinträchtigte Deicherhaltung gewährleisten zu können. Eine unwiderrufliche Genehmigung ist daher gesetzlich ausgeschlossen, eines ausdrücklichen Widerrufsvorbehalts im Einzelfall bedarf es nicht. Einem Widerruf darf jedoch nur das sachliche Motiv der Beeinträchtigung der Deichsicherheit bzw. Deicherhaltung zugrunde liegen. So können sich nach der Genehmigung insbesondere die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben (z. B. der Deich im Laufe der Zeit sein schützendes Vorland verloren oder die Angriffskräfte auf den Deich sich inzwischen verstärkt haben) oder die Deichbehörde kann nachträglich zu einer strengeren Beurteilung der unzuträglichen Folgen gelangt sein. Ist die Ausnahmegenehmigung unter einer Auflage erteilt worden, ist die Behörde auch bei deren Nichterfüllung zum Widerruf berechtigt. Ist sie dagegen bisher nicht mit einer Auflage versehen, so ist vor Ausübung des Widerrufs nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob der Widerruf durch eine nachträgliche Auflage vermieden werden kann.

Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 NDG muss die Ausnahmegenehmigung widerrufen werden, wenn die Benutzung die Deicherhaltung erheblich beeinträchtigt. Das liegt in der Regel vor, wenn durch die Benutzung Schäden am Deich oder seinen Sicherungswerken entstehen oder entstehen können, die die Deichsicherheit, deren Sicherstellung zu Jeder Zeit gefordert werden muss, herabsetzen.

Im Übrigen wird weiter davon ausgegangen, dass die Wahrnehmung der Aufgabe der Deicherhaltung und der Anwendung des Deichgesetzes den vor Ort zuständigen Stellen obliegt und daher keine Entscheidung in Einzelfällen durch die oberste Deichbehörde erfolgt.

Im Auftrage

gez. Unterschrift
Elsner

 

 

Anlage 1

Zulässigkeit von Bauvorhaben nach § 14 Abs. 2 Satz 2 NDG

Bei der Prüfung, ob eine deichrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Errichtung oder Erweiterung von Gebäuden auf dem Deich nach § 14 Abs. 2 Satz 2 NDG erteilt werden kann, ist wie folgt vorzugehen:

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 NDG darf die untere Deichbehörde die Errichtung oder Erweiterung von Gebäuden auf dem Deich nur in besonderen Fällen öffentlicher oder allgemein wirtschaftlicher Belange zulassen, wenn die Sicherheit des Deiches gewährleistet bleibt.

Die Ausnahmegenehmigung liegt also im Ermessen der unteren Deichbehörde, soweit die Tatbestände “besonderer Fall von öffentlichem oder allgemeinwirtschaftlichem Belang” und “Gewährleistung der Sicherheit des Deiches” vom Bauvorhaben erfüllt werden. Wenn die Prüfung dieser Tatbestände positiv für das Bauvorhaben ausfällt, sollte die Ausnahmegenehmigung in der Regel auch zu erteilen sein, da weitere deichrechtlich relevante Aspekte, die dann noch gegen eine Ausnahmegenehmigung sprechen könnten, kaum vorstellbar sind.

Der Entscheidung des BVerfG vom 15. 01.1969 nach kann der Tatbestand des “besonderen Falles eines öffentlichen Belangs” insbesondere in geschlossenen Ortslagen oder bei der Schließung einer Baulücke bei bereits bebauten Deichen bejaht werden. Dies deckt sich in allerRegel mit der bauplanungsrechtlichen Frage nach der Lage des Bauvorhabens (B-Plan- Gebiet, § 30 BauGB; unbeplanter Innenbereich, § 34 BauGB oder Außenbereich, § 35 BauGB) und damit nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens an dem gewünschten Standort.

Daher sollte der erste Prüfungsabschnitt bei der Beurteilung eines Bauvorhabens auf Zulässigkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 2 NDG Folgender sein:

1. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens

1. 1. Wenn nein: fehlendes Sachbescheidungsinteresse, da keine Baugenehmigung erteilt
       werden kann.
1.2. Wenn ja: weiter prüfen; B-Plan-Gebiet oder unbeplanter Innenbereich? Wenn ja: Tatbestand        “besonderer Fall öffentlichen Belangs” in aller Regel erfüllt.

Sofern der erste Prüfungsabschnitt positiv für das Bauvorhaben ausfällt, ist im zweiten Prüfungsabschnitt der Frage nachzugehen, ob bei Umsetzung des Vorhabens die Sicherheit des Deiches gewährleistet bleibt. Die Frage der Deichsicherheit ist bei der Prüfung von zentraler Bedeutung und unabdingbare Voraussetzung für eine positive Beurteilung.

Vor diesem Hintergrund ist auch die in § 14 Abs. 2 Satz 3 NDG verankerte Anhörung des Trägers der Deicherhaltung und damit des jeweiligen Deichverbandes zu sehen. Dessen sachliche Stellungnahme ist von besonderer Bedeutung für die untere Deichbehörde bei der Beurteilung dieses Tatbestandes.

 

2. Gewährleistung der Sicherheit des Schutzdeiches

Im Hinblick auf die Gewährleistung der Sicherheit des Deiches sind zuerst die Gegebenheiten vor Ort zu prüfen und zu bewerten, wobei im Wesentlichen der Frage nachzugehen ist, ob der bestehende Deich auf dem Baugrundstück grundsätzlich eine Bebauung zulässt. Hierbei sind insbesondere folgende Kriterien zu prüfen und zu bewerten:

2. 1.   Prüfung der Begebenheiten vor Ort:
2.1.1. Höhe des Deiches (auch im Vergleich zur Bestickfestsetzung)
2.1.2. Eignung des beim Deichbau verwendeten Materials in begründeten Fällen
2.1.3. Deichkronenbreite
2.1.4. Böschungsneigungen des Deiches (Gefälle)
2.1.5. Lage des Deichverteidigungsweges und des Deichfußentwässerungsgrabens
2.1.6. Großräumiger Verlauf des Deiches (gradlinig oder in Kurve)
2.1.7. Breite des Deichvorlandes zwischen Deich und Fluss
2.1.8. Höhe / Relief des Deichvorlandes
2.1.9. Sind in diesem Bereich (Aus-)Baumaßnahmen am Deich geplant oder erforderlich?

Folgende Grundsätze sind bei der Bewertung der Begebenheiten vor Ort anzuwenden:

Je breiter und höher das Deichvorland,

–  je geringer die Deichhöhe über Geländeoberkante und Je höher der Deich über Deichbestick bei     hinreichender Wehrfähigkeit des Deiches (bei Unterbestick Bebauung nur zulässig, wenn der
   Bauherr sein Grundstück unter Beachtung der Regel der Technik des Deichbaues mindestens
   auf Deichbestick bringt),
–  je belastbarer der vorhandene Deichkörper,
–  je breiter die Deichkrone,
–  je geringer das Gefälle der Deichböschungen,
–  je breiter der Deichverteidigungsweg,
–  je gradliniger der Verlauf des Deiches ist,

desto eher ist die Sicherheit des Deiches auch im Falle der Bebauung gewährleistet. Darüber hinaus sind lokale Besonderheiten wie zum Beispiel die Überlaufschwelle der Aue/Lühe in Horneburg und der damit verbundene maximale Wasserstand in der Lühe sowie ggf. veraltete Deichbesticke zu berücksichtigen.

Sofern die Prüfung und Bewertung der Begebenheiten vor Ort ergibt, dass der Deich auf dem Baugrundstück grundsätzlich bebaubar ist, folgt schließlich die Prüfung und Bewertung des Bauvorhabens, wobei im Wesentlichen der Frage nachzugehen ist, ob auch das geplante Bauvorhaben an dem gewünschten Standort realisierbar ist, ohne dass die Deichsicherheit dabei verringert werden würde. Hierbei sind insbesondere folgende Kriterien zu prüfen und zu bewerten:

2.2. Prüfung des Bauvorhabens:

2.2.1. Länge, Breite, Höhe und Ausrichtung des Bauvorhabens
2.2.2. Passt sich das Bauvorhaben an den vor Ort vorhandenen Deich an?
2.2.3. Erreichbarkeit des Baugrundstückes / Erschließungssituation:

2.2.3.1. Muss ein Grundstück des Deichverbandes gekreuzt werden? Was sagt der  
           Deichverband zur Erreichbarkeit/ zur Erschließung?
2.2.3.2. Auffahrt mit Stellplatz oder Stellplatz binnendeichs in der Nähe?
2.2.3.3. Wie fußläufig erreichbar? Mit Deichtreppe?
2.2.3.4. Sind neue bauliche Anlagen zur Erreichbarkeit erforderlich / geplant?
2.2.3.5. Versorgungsleitungen: Wasser, Abwasser, Strom, Telekommunikation, ggf. Gas:
            vorhanden oder neu herzurichten?
2.2.3.6. Wo verlaufen vorhandene Leitungen?
2.2.3.7. Im Falle neu zu errichtender Versorgungsleitungen: nur im Schutz des Gebäudes
           oder tiefer als 2 m unter dem Deichfuß

2.2.4. Gründung des Bauvorhabens: sollen die Grünctungspfähleoder das Fundament des
         Bauwerkes in den Deich hineingebaut werden? Wird der Deich dadurch geschwächt?

2.2.5. Ersetzt das Bauvorhaben einen bestehenden Bau?

2.2.5.1. Wie groß ist das Bauvorhaben im Vergleich zum bestehenden Bau?
2.2.5.2. Ist der bestehende Bau abgängig? Wird die Deichsicherheit durch die neue
           Bausubstanz oder Ausführung des Bauvorhabens verbessert?

2.2.6. Erschwert das Bauvorhaben die Deichunterhaltung?

Folgende Grundsätze sind bei der Bewertung des Bauvorhabens anzuwenden:

Je stärker sich das Bauvorhaben an den bestehenden Deich anpasst,
– je geringer der Eingriff in die Belange der Deichsicherheit ist, desto eher kann eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass ein alter Bau mit maroder Bausubstanz ersetzt werden soll, so dass die Umsetzung des Bauvorhabens eine Verbesserung der Deichsicherheit mit sich bringen würde. Da Einbauten in der Deichlinie zu Inhomogenitäten und damit zu potentiellen Gefahren führen, ist diesen bei den Deichschauen besonderes Augenmerk zu widmen. Bei Bedarf sind Bauwerksprüfungen anzuordnen.

 

 

Anlage 2

Zulässigkeit von Bauvorhaben nach § 16 Abs. 2 Satz 1 NDG

Bei der Prüfung, ob eine deichrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Errichtung oder wesentlichen Änderung von (baulichen) Anlagen in der 50m- Bauverbotszone nach §16 Abs. 2 Satz 1 NDG – erteilt werden kann, ist wie folgt vorzugehen:

In einer Art “Vorprüfung” sollte zunächst der Frage nachgegangen werden, ob das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist:

1. Vorprüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens

1.1. Wenn nein: fehlendes Sachbescheidungsinteresse, da keine Baugenehmigung erteilt werden kann.
1.2. Wenn ja: weiter prüfen

Sofern die Vorprüfung positiv für das Bauvorhaben ausfällt, ist § 16 NDG zu prüfen. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 NDG dürfen Anlagen jeder Art in einer Entfernung von 50 m von der landseitigen Grenze des Deiches nicht errichtet oder wesentlich geändert werden.

Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 NDG kann die untere Deichbehörde Ausnahmen von diesem Verbot genehmigen, wenn das Verbot im Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Ausnahme mit den Belangen der Deichsicherheit vereinbar ist. Nach gängiger Rechtsprechung ist bei der Prüfung des § 16 Abs. 2 Satz 1 NDG darauf abzustellen, ob es sich um einen atypischen Sonderfall handelt, bei dem die Verbotsnorm des § 16 Abs. 1 NDG zu einem Ergebnis führen würde, das von der gesetzlichen Regelung nicht beabsichtigt ist und eine vernünftige Bebauung erschwert.

Die Erteilung der Ausnahmegenehmigung liegt dabei im Ermessen der unteren Deichbehörde, soweit die Tatbestände “offenbar nicht beabsichtigte Härte” und “vereinbar mit den Belangen der Deichsicherheit” vom Bauvorhaben erfüllt werden. Wenn die Prüfung dieser Tatbestände positiv für das Bauvorhaben ausfällt, sollte die Ausnahmegenehmigung jedoch in der Regel auch zu erteilen sein, da weitere deichrechtlich relevante Aspekte, die dann noch gegen eine Ausnahmegenehmigung sprechen könnten, kaum vorstellbar sind.

2. Prüfung des Tatbestandes “offenbar nicht beabsichtigte Härte”
Nach der Rechtsprechung kann von einer “Härte” für den Betroffenen immer dann ausgegangen werden, wenn das Anlagenverbot des § 16 Abs. 1 NDG die (baurechtliche) Zulässigkeit einer baulichen Nutzung eines Grundstückes in erheblichem Maße einschränkt, da dadurch erheblich in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum eingegriffen wird. Damit liegt immer dann eine “Härte” vor, wenn ein bauplanungsrechtlicher Anspruch auf Errichtung einerAnlage (im B-Plan-Gebiet nach § 30 BauGB oder im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB) durch die Anwendung des § 16 Abs. 1 NDG verhindert werden würde.

Diese Härte muss weiterhin vom NDG “offenbar nicht beabsichtigt” sein. Bei der Auslegung dieser Begrifflichkeit sind die bisherigen Entscheidungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes zum § 16 Abs. 2 NDG zu berücksichtigen, bei denen das Vorliegen einer “offenbar nicht beabsichtigte Härte” mit der Begründung verneint wurde, dass die Standorte der Vorhaben gerade nicht mehr der im Zusammenhang bebauten Ortslage, sondern dem bauplanungsrechtlichen Außenbereich zuzuordnen waren. Diese Rechtsprechungspraxis bedeutet zwar nicht zwangsläufig, dass im Umkehrschluss bei allen Vorhaben, die unter den § 16 Abs. 1 NDG fallen und die in einer im Zusammenhang bebauten Ortslage oder in einem B-Plan-Gebiet liegen, der Tatbestand der “offenbar nicht beabsichtigten Härte” bejaht werden kann. Sie kann aber als starkes Indiz dahingehend gewertet werden, dass innerhalb einer im Zusammenhang bebauten Ortslage das Bauverbot des § 16Abs. 1 NDG oftmals zu einer unbeabsichtigten Härte führen kann.

Weiterhin sollte bei der Auslegung der Begrifflichkeit “offenbar nicht beabsichtigt” auch berücksichtigt werden, dass dem BVerfG nach bei Bauvorhaben auf dem Deich, die dem deutlich strengerem Regime des § 14 NDG unterliegen, das Tatbestandmerkmal “besonderer öffentlicher Belang” des § 14 Abs. 2 Satz 2 NDG bei Bauvorhaben in geschlossenen Ortschaften oder bei der Schließung einer Baulücke bei bereits bebauten Deichen regelmäßig zu bejahen ist. An den Tatbestand der “offenbar nicht beabsichtigten Härte” des § 16 Abs. 2 NDG im landseitigen Schutzstreifen hinter dem Deich dürfen keine höheren Anforderungen gestellt werden als an den Tatbestand des “besonderen öffentlichen Belangs” des § 14 Abs. 2 NDG, so dass im unbeplanten Innenbereich oder im B-Planbereich und insbesondere bei der Schließung von Baulücken regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass das Tatbestandsmerkmal der “offenbar unbeabsichtigten Härte“des § 16 Abs. 2 NDG zu bejahen ist.

Sollte die Prüfung des Tatbestands der “offenbar nicht beabsichtigten Härte” positiv für das Bauvorhaben ausfallen, wäre im nächsten Schritt zu prüfen, ob das Bauvorhaben “vereinbar mit den Belangen der Deichsicherheit” ist. Die Frage der Deichsicherheit ist bei der Prüfung von zentraler Bedeutung und unabdingbare Voraussetzung für eine positive Beurteilung.

Vor diesem Hintergrund ist auch die in § 16 Abs. 2 Satz 2 NDG verankerte Anhörung des Trägers der Deicherhaltung und damit des jeweiligen Deichverbandes zu sehen. Dessen sachliche Stellungnahme ist von besonderer Bedeutung für die untere Deichbehörde bei der Beurteilung dieses Tatbestandes.

3. Vereinbarkeit mit den Belangen der Deichsicherheit
Im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den Belangen der Deichsicherheit sind zuerst die Begebenheiten vor Ort zu prüfen und zu bewerten, wobei im Wesentlichen der Frage nachzu- gehen ist, ob unter Berücksichtigung des Zustandes der bestehenden Deichstrecke eine Bebauung des landseitigen Grundstückes grundsätzlich zugelassen werden kann. Hierbei sind insbesondere folgende Kriterien zu prüfen und zu bewerten:

3. 1. Prüfung der Begebenheiten vor Ort:

3.1.1. Höhe des Deiches auch im Vergleich zur Bestickfestsetzung
3.1.2. Deichkronenbreite
3.1.3. Böschungsneigungen des Deiches (Gefälle)
3.1.4. Lage des Deichverteidigungsweges und des Deichfußentwässerungsgrabens
3.1.5. Großräumiger Verlauf des Deiches (gradlinig oder in Kurve)
3.1.6. Breite des Deichvorlandes zwischen Deich und Fluss
3.1.7. Höhe/Relief des Deichvorlandes
3.1.8. Sind in diesem Bereich (Aus-) Baumaßnahmen am Deich geplant oder erforderlich, die eine           Inanspruchnahme des Baugrundstückes erforderlich machen?

Folgende Grundsätze sind bei der Bewertung der Begebenheiten vorOrt anzuwenden:

Je höher der Deich über Deichbestick,

– je breiter die Deichkrone,
– je geringer das Gefalle der Deichböschungen,
– je breiter der Deichverteidigungsweg /je großzügiger der Entwässerungsgraben,
– je gradliniger der Verlauf des Deiches und
– je breiter und höher das Deichvorland ist,

desto eher ist ein Bauvorhaben in der 50 m – Bauverbotszone mit den Belangen der Deich- Sicherheit vereinbar. Weiterhin sind lokale Besonderheiten wie zum Beispiel die Überlauf- schwelle der Aue/Lühe in Horneburg und der damit verbundene maximale Wasserstand in der Lühe hinsichtlich der Wertigkeit der 50 m – Bauverbotszone zu berücksichtigen.

Sofern die Prüfung und Bewertung der Begebenheiten vor Ort ergibt, dass das landseitige Baugrundstück in der 50 m – Bauverbotszone grundsätzlich bebaubar ist, folgt schließlich die Prüfung und Bewertung des Bauvorhabens, wobei im Wesentlichen der Frage nachzugehen ist, ob auch das geplante Bauvorhaben an dem gewünschten Standort mit den Be- langen der Deichsicherheit vereinbar ist. Hierbei sind insbesondere folgende Kriterien zu prüfen und zu bewerten:

3.2. Prüfung des Bauvorhabens:

3.2.1. Abstand des Bauvorhabens zur landseitigen Grenze des Deichkörpers: Grundsatz:
        das Bauvorhaben muss mindestens denselben Abstand zur landseitigen Grenze des
        Deichkörpers haben wie die umliegende Bebauung.
3.2.2. Wirkt sich das Gebäude in irgendeiner Form auf den Deich aus? Wird der Deich vom   
         geplanten Gebäude zum Beispiel beschattet?
3.2.3. Länge, Breite, Höhe, Ausrichtung des Bauvorhabens
3.2.4. Wie dicht ist die umliegende Bebauung? Fügt sich das Bauvorhaben (im Hinblick auf die           Deichsicherheit) in die umliegende Bebauung ein?
3.2.5. Ersetzt das Bauvorhaben einen bestehenden Bau? Wie liegt das Bauvorhaben im Vergleich
        zum bestehenden Gebäude; soll es dichter am oder weiter weg vom Deich errichtet
        werden?
3.2.6. Für den Fall, dass das Grundstück erstmalig einer Bebauung zugeführt werden soll: Hat
        das Grundstück in seinem unbebauten Zustand einen Wert für die Deichsicherheit? Sind
        überhaupt Ausbaumaßnahmen denkbar, die zukünftig das Grundstück in Anspruch
        nehmen könnten? Oder stellt das Grundstück im Falle der Deichverteidigung einen wichtigen
        Freiraum dar? Kann hier Boden für Notmaßnahmen im Falle der Deichverteidigung ortsnah
        entnommen werden?
3.2.7. Erreichbarkeit des Baugrundstückes / Erschließungssituation: belastet die Erschließung des         Grundstückes die Deichsicherheit?

Folgende Grundsätze sind bei der Bewertung des Bauvorhabens anzuwenden:

Je weiter entfernt das Bauvorhaben vom Deich errichtet werden soll,

– je geringer das Bauvorhaben auf den Deich einwirkt,
– je wertloser das unbebaute Grundstück für die Belange de rDeichsicherheit ist und
– je geringer das geplante Gebäude in die Belange der Deichsicherheit eingreift,

desto eher kann eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden.

 

Verteiler

SamtgemeindeHorneburg
Lange Str. 47- 49
21640 Horneburg
Samtgemeinde Lühe
Huttfleth 18
21720 Steinkirchen
Gemeinde Jork
Am Gräfengericht 2
21635 Jork
Hansestadt Buxtehude
Bahnhofstrasse 7
21614Buxtehude
Deichverband der
l. Meile Altenlandes
An der Eilwettern 2
21723 Hollern-Twielenfleth
Deichverband
II. Meile Alten Landes
Altländer Markt 3
21635 Jork
Deichbuerger13. de
Herrn Volker Weinhard
Hohenfelde 91
21720 Mittelnkirchen
IG Este
Herrn Rainer Podbielski
EstebrüggerStr. 81
21635 Jork
NLWKN
Am Sportplatz 23
26506 Norden
Wasserverbandstag e. V.
AmMittelfelde169
30519 Hannover

 

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